USA als Drahtzieher und Deutschland als Mitwisser
Die bisherige Kernaussage – dass die USA die Sabotage orchestriert haben und Deutschland von den Plänen wusste – ist eine stringente Interpretation der bisherigen Indizien. Um diese These weiter zu festigen, müssen wir jedoch gezielt Beweise zusammentragen und offene Fragen klären.
Beweislage und zentrale Fragen
1. Seymour Hersh berichtet von einer verdeckten BALTOPS-Operation der US Navy, bei der eingesetzte Taucher Sprengladungen an den Nord Stream-Pipelines angebracht haben sollen.
2. Interne E-Mails aus dem Bundeskanzleramt geben Einblick in das Bewusstsein eines möglichen Lecks und fordern eine „schnelle Lösung“ in Abstimmung mit den USA.
3. Offizielle Untersuchungen konnten bislang keine deutsche Täterschaft nachweisen, während US-Behörden jede Verstrickung zurückweisen.
Lücken im Untersuchungsstand
1. Welche bislang unzugänglichen Quellen könnten den Verdacht einer verdeckten US-Operation endgültig stützen: 2. Detaillierte Einsicht in die NATO-Übungspläne und Kommunikationsprotokolle von BALTOPS 22
3. Vollständige Vernehmungsprotokolle der mutmaßlich beteiligten Taucher und Offiziere
4. Lückenlose forensische Gutachten zur Zusammensetzung und Typologie des eingesetzten Sprengstoffs
Inwieweit würde jede dieser Informationen das Gesamtbild schärfen und die US-Verstrickung unwiderlegbar belegen?
Blick über den Tellerrand
1. Unterwasserdrohnen (UUVs) als mögliche Alternative zu menschlichen Tauchern.
2. Internationale Rechtsinstrumente gegen verdeckte Militäroperationen innerhalb von Bündnissen.
3. Auswirkungen auf die transatlantische Vertrauensbasis und zukünftige Energiepartnerschaften.
Wie sähe ein konzentrierter Fahrplan zur Aufklärung der Nord-Stream-Sabotage aus?
Um die Untersuchung sauber an der Beweislage auszurichten, beginnen wir mit der systematischen Zusammenführung aller physikalischen und digitalen Spuren. Dazu zählen die chemischen Rückstände an den Rohrleitungen, wie auch die Logs von Tauchrobotern und Schallsensoren sowie Satellitendaten zur Bahn der eingesetzten Schiffe. Parallel dazu analysieren wir vertrauliche E-Mail-Verkehre und Lageberichte herausfordernder Übungen wie BALTOPS, um Inkonsistenzen und zeitliche Lücken aufzudecken. Im Zentrum stehen dabei Fragen nach der genauen Sprengstoffzusammensetzung, der Art der Zündung und den Zeitfenstern, in denen allein ein hochprofessionelles Team operieren konnte.
Darauf aufbauend definieren wir die zentralen Untersuchungsfragen: Wer verfügte über das technische Know-how und die Ressourcen, um die Sabotage unbemerkt in der Ostsee durchzuführen? In welchem Verhältnis stehen militärische Manöverprotokolle zu geheimen Kommunikationsträgern, und ließen sich darin Hinweise auf taktische Absprachen erkennen? Schlüsselfrage bleibt außerdem, ob Umweltwarnungen und interne Risikoabschätzungen vorab systematisch ignoriert oder bewusst heruntergespielt wurden – ein Umstand, der auf höhere Entscheidungsebenen hindeuten könnte.
Erst wenn wir diese Beweissplitter entlang ihrer zeitlichen und kausalen Zusammenhänge verbunden haben, lassen sich Hypothesen über Verantwortliche und Motive belastbar formulieren.
Zunächst legen wir den Kern unserer Untersuchung in einer lückenlosen Chronologie der Ereignisse fest. Wir sammeln alle physikalischen und digitalen Spuren – von den chemischen Rückständen an den beschädigten Rohrleitungen über die Tauchroboter-Logs und Schallsensordaten bis hin zu Satellitenaufnahmen der eingesetzten Schiffe. Gleichzeitig bringen wir frühzeitige Umweltwarnungen und interne Mitteilungen aus dem März 2022 in Einklang mit den Protokollen der BALTOPS-Übung im Juni und den Explosionen vom 26. September 2022. An dieser Stelle fragen wir nach zeitlichen Lücken und Abweichungen, in denen allein ein hochprofessionelles Team operieren konnte.
Im Anschluss definieren wir präzise die Beweislage, indem wir jede Spur systematisch dokumentieren. Chemische Analysen liefern Aufschluss über die Sprengstoffzusammensetzung, während digitale Logs und Kommunikationsprotokolle Aufschluss über beteiligte Akteure und eingesetzte Technik geben. Wir bündeln all diese Informationsfetzen zu einem rasterförmigen Lagebild, in dem jede technische Einzelheit und jeder Kommunikationsschritt eine Rolle spielt.
Parallel dazu richten wir unser Augenmerk auf die forensische Sprengstoffanalyse. Rückstände werden mit bekannten militärischen Profielen abgeglichen, um den exakten Typ und die Herkunft des Materials zu bestimmen. Besonderes Augenmerk gilt der Zündtechnik: Wir klären, ob es sich um Fernauslöser oder Zeitzünder handelte und welches logistische Know-how dafür nötig war.
Gleichzeitig durchleuchten wir vertrauliche E-Mail-Verkehre und Lageberichte der BALTOPS-Übung auf Inkonsistenzen. Dabei vergleichen wir die geheimen Nachrichten mit den offiziellen Übungsplänen, um taktische Absprachen oder Anomalien im Ablauf aufzudecken. Jede Diskrepanz kann ein Hinweis auf verdeckte Operationen sein.
Über FOIA-Anträge bei US Navy und Pentagon fordern wir alle Dokumente zur BALTOPS-Manöverplanung an, und beim NATO-Sekretariat beantragen wir Einsicht in Übungspläne, beteiligte Einheiten und Lageberichte. Parallel dazu verlangen wir in Deutschland Protokolle aus Sicherheitsbehörden an, um nationale Risikoeinschätzungen und Schutzkonzepte lückenlos nachzuvollziehen.
Im weiteren Verlauf sichten wir sämtliche internen Unterlagen des Bundeskanzleramts. Besonders im Fokus stehen der Cicero-Hinweis vom März 2022, Protokolle der SPD-Arbeitsgruppe Energie und E-Mail-Verläufe der beteiligten Referenten. Durch persönliche Gespräche mit Sicherheitsberatern und Zeugen werten wir offizielle und inoffizielle Aussagen aus.
Erst wenn wir all diese Beweissplitter entlang ihrer zeitlichen und kausalen Beziehungen verknüpft haben, entstehen schlüssige Hypothesen über Täter, Motive und Verantwortungsstrukturen. Zentrale Fragen bleiben: Wer verfügte über die technische Expertise und die Ressourcen? Lassen sich direkte Verbindungen zwischen Militärmanövern und geheimen Absprachen belegen? Und auf welcher Ebene wurden Umweltwarnungen bewusst heruntergespielt?
Dieses sukzessive Vorgehen gewährleistet, dass jede Spur entlang der Chronologie aufgearbeitet wird, die Beweislage in ihrer Tiefe erschlossen, um die Verantwortlichkeiten transparent machen zu können.
Einbezug neuerer Ereignisse
Was ist passiert? In Italien wurde am Mittwoch (20.8.25) ein Ukrainer festgenommen, der an den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines 2022 beteiligt gewesen sein soll. ARD, SZ und "Zeit" liegt nun der Haftbefehl gegen den Mann vor. Dazu ein Beitrag von Deutschland Kurier.
Mit der Veröffentlichung eines Phantombilds des 49-jährigen Sehrii Kuznetsov hat Italien die Nord-Stream-Ermittlungen neu befeuert. Die Bundesanwaltschaft wirft dem früheren SBU-Mitarbeiter vor, als Kopf eines siebenköpfigen Sabotagekommandos im September 2022 vier Sprengsätze à 14–27 Kilogramm an den Pipelines angebracht zu haben. Das Team, darunter vier zivile Taucher, soll unter falschem Namen mit der kleinen Segelyacht „Andromeda“ von Rostock in die Ostsee ausgelaufen sein, um nachts an verschiedenen Stellen zuzuschlagen.
Die technische Machbarkeit dieser Operation durch eine einzige Person erscheint nahezu ausgeschlossen. Die Nord-Stream-Leitungen liegen in 70–90 Metern Tiefe, weit jenseits dessen, was reines Sport- oder Kampftauchen erlaubt. Erforderlich wären Sättigungstauchsysteme, Dekompressionskammern oder ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge – Ausrüstung, die auf der „Andromeda“ weder Platz gefunden noch unbemerkt operieren hätte können. Militäranalysten sehen daher eher einen staatlich gestützten Eingriff als Plausibel.
Parallel eskaliert der politische Schlagabtausch: Russland forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats, während die AfD in Deutschland beharrlich einen Bundestags-Untersuchungsausschuss verlangt. Anfangs galt Moskau als Hauptverdächtiger, inzwischen schieben Medien die Tat einem ukrainischen Einzeltäterkommando unter, das angeblich auf Anweisung des früheren Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj handelte – ohne Wissen von Präsident Selenskyj. Saluschnyj, heute Botschafter in London, bestreitet jede Verbindung.
Angesichts der logistischen, technischen und politischen Ungereimtheiten bleibt die offizielle Einzeltäter-These höchst fragwürdig. Nur ein unabhängiger, parteiübergreifender Untersuchungsausschuss kann bis zum heutigen Zeitpunkt all diese Puzzleteile zusammenführen, offene Fragen klären und Licht ins Dunkel der Nord-Stream-Sabotage bringen.